Komplexe Zahlen 2




Inhalt


1.  Punktmengen


1.1.  Kreise


1.2.  Geraden


1.3.  Streifen


1.4.  Parameterformen


1.5.  Aufgaben



2.  Abbildungen


2.1.  lineare Funktionen


2.1.1.  Translation z → w = z + b


2.1.2.  Drehstreckung z → w = a⋅z


2.1.3.  Gleichsinnige Ähnlichkeitsabbildung z → w = a⋅z + b



2.2.  Spiegelung w = \(z^{*}\)



2.3.  nichtlineare Funktionen


2.3.1.  Spiegelung am Einheitskreis w = \(\large \frac{1}{z^{*}}\)


2.3.1.1.  Kreise unter w = \(\large \frac{1}{z^{*}}\)


2.3.1.2.  Geometrische Konstruktion



2.3.2.  Abbildung w = \(\large \frac{1}{z}\)



2.4.  Fixpunkte


2.4.1.  Fixpunkte unter linearen Funktionen


2.4.2.  Fixpunkte unter der Spiegelung am Einheitskreis



2.5.  Aufgaben



3.  Zahlenkugel


3.1.  Abbildung der Kugel auf die Ebene


3.2.  Die Spiegelung am Einheitskreis auf der Kugel


3.3.  Aufgaben






1.  Punktmengen


Im Folgenden werden Punktmengen in der Gaußschen Zahlenebene beschrieben. Derartige Mengen werden durch Funktionen f(z) festgelegt: \(\mathbb{M}~=~\{z|f(z)=0\}\)
Mit der Menge \(\mathbb{M}~=~\{z|2z~-~i~=~0\}\) wird beispielsweise eine Menge beschrieben, die nur aus dem Punkt z = 0,5i besteht.
Die Menge \(\mathbb{M}~=~\{z|Re(z)=~1\}\) beeinhaltet alle Punkte auf einer Geraden parallel zu imaginären Achse im Abstand 1.
Die wichtigsten aus der Geometrie bekannten Punktmengen - Kreise und Geraden - aber auch Gebiete lassen sich in dieser Weise durch Gleichungen darstellen.


1.1.  Kreise


Alle Punkte auf einem Kreis mit dem Mittelpunkt M (und der zugehörigen komplexen Zahl m) und dem Radius r besitzen von dem Mittelpunkt M den Abstand r. Fasst man komplexe Zahlen in der Zahlenebene als Vektoren auf, wird diese Eigenschaft durch den Betrag dargestellt: |z - m| = r.
Die Betragsform eines Kreises mit dem Mittelpunkt M und dem Radius r lautet deshalb:

Kreis Kr(m) = {z| |z - m| = r}


Die Gleichung |z - m| = r heißt Betragsform der Kreisgleichung.

Betragsgleichung sind elegant, für konkrete Berechnungen (wegen möglicher Fallunterscheidungen) aber häufig inder Anwendung mühsam.
Ein probates Mittel ist dann das Quadrieren:

\(|z-m|~=~r~~~\leftrightarrow~~~|z-m|^2~=~r^2~~~\leftrightarrow~~~(z-m)~(z-m)^{*}~=~r^2\)

Formt man weiter um:

\((z-m)~(z-m)^{*}~=~r^2~~~\leftrightarrow~~~zz^{*}-m^{*}z-mz^{*}+mm^{*}~=~r^2~~~\)

\(\leftrightarrow~~~~(*)~~~~zz^{*}-m^{*}z-mz^{*}+\gamma~=~0~~~\) mit \(~~~~\gamma~=~mm^{*}-r^2~\in \mathbb{R}\)

Nicht jede Gleichung (*) beschreibt einen Kreis. Zu beachten ist: \(r^2~=~mm^{*}-\gamma > 0\) , denn der Radius muss reell sein.

Die betragsfreie Gleichung eines Kreises mit dem Mittelpunkt M und dem Radius r lautet deshalb:

Kreis Kr(m) = {z| \(\boldsymbol{zz^{*}-m^{*}z-mz^{*}+\gamma~=~0~~mit~~\gamma\in\mathbb{R}~~und~~mm^{*}-\gamma > 0}\)}



Beispiele:

1. Kreisgleichung mit dem Mittelpunkt m = 2 + i und dem Radius r = 3:

Betragsform: \(|z-(2+i)|~=~3\)

betragsfreie Form: \(zz^{*}-(2-i)z-(2+i)z^{*}-4~=~0~~mit~~\gamma~=~mm^{*}-r^2~=5-9=-4\)


2. Kreisgleichung mit dem Ursprung als Mittelpunkt und dem Radius r = 2:

Betragsform: \(|z|~=~2\)

betragsfreie Form: \(zz^{*}-4~=~0~~mit~~\gamma~=~mm^{*}-r^2~=0-4=-4\)


3. Gegeben: \(zz^{*}-(3+2i)z-(3-2i)z^{*}+4~=~0\)

Dann ist m = 3 - 2i und r = 3 , denn \(r^2=mm^{*}-\gamma~=~13-4~=~9\)



4. Gegeben: \(zz^{*}+(3+2i)z+(3-2i)z^{*}~=~0\)

Dann ist m = -3 + 2i und r = \(\sqrt{13}\) , denn \(~~r^2=mm^{*}-\gamma~=~13-0~=~13\)


Der Kreis verläuft durch den Ursprung.



5. Gegeben: \(zz^{*}-(3+2i)z-(3-2i)z^{*}+16~=~0\)

Keine Kreisgleichung, denn \(~~r^2=mm^{*}-\gamma~=~13-16=-3\)




6. Gegeben: \(zz^{*}~=~1\)

Diese Gleichung beschreibt den Einheitskreis, also den Kreis mit dem Ursprung als Mittelpunkt und dem Radius r = 1.




1.2.  Geraden


Gegeben sei die Gleichung

\(b^{*}z+bz^{*}+\gamma~=~0~~mit~~b~\in~\mathbb{C}\)\{0} \(~~sowie~~\gamma~\in~\mathbb{R}\)



Die Gleichung wird nun umgeformt.
Die ersten beiden Summanden sind zueinander konjugiert. Deshalb gilt: \(b^{*}z+bz^{*}~=~2~Re(b^{*}z)\).
Eingesetzt in die Ursprungsgleichung ergibt: \(2~Re(b^{*}z)~+~\gamma~=~0\).
Weiter: Sei b = α + iβ   bzw.   \(b^{*}\) = α - iβ    sowie    z = x + iy   mit   α,β,x,y ∈ \(\mathbb{R}\).
Wiederum eingesetzt: \(2~Re(b^{*}z)~+~\gamma~=~0~~~\rightarrow~~~2\alpha x+2\beta y + \gamma~=~0\)
Dies ist eine in x und y lineare Gleichung, deren Lösungsmenge in einem x-y-Koordinatensystem (und damit wegen z = x + iy) auch in der Gaußschen Zahlenebene eine Gerade darstellt.
Ergebnis:

Die Menge {z| \(\boldsymbol{b^{*}z+bz^{*}+\gamma~=~0\}~~mit~~b~\in~\mathbb{C}}\) \ {0} \(\boldsymbol{~~sowie~~\gamma~\in~\mathbb{R}}\) stellt in der Zahlenebene eine Gerade dar.

Die Geradengleichungen sind nicht eindeutig. Sie können mit einer beliebigen von Null verschiedenen reellen Zahl (und im Fall γ = 0 auch mit einer beliebigen komplexen Zahl) multipliziert werden.


Im Sonderfall achsenparalleler Geraden können auch einfachere Gleichungen verwendet werden:

{z| Re(z) = x0} \(~~\leftrightarrow~~\frac{1}{2}z+\frac{1}{2}z^{*}-x_0=0~\)  Parallele zur imaginären Achse im Abstand |x0|.
{z| Im(z) = y0} \(~~\leftrightarrow~~-\frac{1}{2}iz+\frac{1}{2}iz^{*}-y_0=0~\)  Parallele zur reellen Achse im Abstand |y0|.


Die oben angegebene lineare Gleichung wird nun in die in der Analysis üblichen Schreibweise umgeformt:

\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~2\alpha x+2\beta y + \gamma~=~0~~~\rightarrow~~~y~=~\large -\frac{\alpha}{\beta}~\normalsize x-\large \frac{\gamma}{2\beta} \normalsize~~~,~~~\alpha,\beta\ne 0\)

Dann beträgt die Steigung m der Geraden in der Zahlenebene \(m=-\large \frac{\alpha}{\beta}\) und der Achsenabschnitt b auf der imaginären Achse \(b=-\large \frac{\gamma}{2\beta}\).
Für die Parameter Steigung m und Achsenabschnitt b einer Geraden sind drei Parameter α, β und γ anzugeben. In der Regel besitzt man (wie im Hinweis angegeben) einen Freiheitsgrad bei der Angabe der Geradengleichung.
Für γ = 0 erhält man eine Ursprungsgerade.

Beispiele

1. Geradengleichung mit Steigung m = 2 und imaginärer Achsenabschnitt b = 1.
Aus \(m=-\large \frac{\alpha}{\beta}~~~\)\(\rightarrow~~~ \alpha=-2\beta\)
Aus \(b=-\large \frac{\gamma}{2\beta}~~~\)\(\rightarrow~~~ \gamma=-2\beta\)
Setze γ = 2. Dann β = -1 und daraus α = 2.
Insgesamt folgt die Geradengleichung: (2+i)⋅z + (2-i)⋅\(z^{*}\) + 2 = 0

2. Gerade durch die Punkte \(z_1\) = 2 + 3i sowie \(z_2\) = 5 - 6i.
Steigung m = \(\large \frac{\Delta y}{\Delta x}~=~\frac{-6-3}{5-2}\)\(~=~-3~~~\rightarrow~~~\alpha=3\beta\)
Setzt man \(z_1\) in die reelle Geradengleichung y = m⋅x + b ein, erhält man: b = y - m⋅;x = 3 - 2⋅(-3) = 9.
Nun weiter wie oben:
Setze γ = 18. Dann β = \(-\large \frac{\gamma}{2b}\) = -1 und daraus α = -β⋅m = -3.
Insgesamt folgt die Geradengleichung: (-3+i)⋅z + (-3-i)⋅\(z^{*}\) + 18 = 0


3. Gegeben sei die Geradengleichung (3 + i) z + (3 - i) \(z^{*}\) - 2 = 0. Gib die Steigung und den imaginären Achsenabschnitt an.
\(m=-\large \frac{\alpha}{\beta}~=~-\frac{3}{-1}\)\(~=~3\)
\(b=-\large \frac{\gamma}{2\beta}~=~-\frac{-2}{2\cdot (-1)}\)\(~=~-1\)


1.3.  Gebiete


Die bisher vorgestellten Punktmengen waren Linien.
Durch die Verwendung von Ungleichungen können flächenhafte Punktmengen dargestellt werden.

Beispiele:
Kreisscheibe: {z| |z - m| < r}   bzw.  abgeschlossene Kreisscheibe: {z| |z - m| ≤ r}

Kreisring: {z| \(r_1\) < |z - m| < \(r_2\)}

Parallelstreifen zur reellen Achse: {z| \(r_1\) < Im(z) < \(r_2\)}

Parallelstreifen zur imaginären Achse: {z| \(r_1\) < Re(z) < \(r_2\)}



1.4.  Parameterformen


Parameterdarstellungen von Punktmengen beschreiben diese mit Hilfe einer Zuordnung t → f(t) mit t ∈ \(\mathbb{R}\) sowie f(t) ∈ \(\mathbb{C}\). Jedem Wert von t wird somit ein Punkt f(t) in der Gaußschen Zahlenebene zugeordnet.
Da Parameterdarstellungen häufig in der Physik in Zusammenhang mit der Zeit verwendet werden, wird als Parameter der Buchstabe t gewählt. Beispielsweise soll in Abhängigkeit der Zeit t einem Objekt sein Ort f(t) zugeordnet werden.

Parameterform eines Kreises
Sei M der Mittelpunkt des Kreises und r sein Radius, die Zuordnung sei z(t) = r⋅E(t) mit E(t) = cos(t) + i⋅sin(t).
t durchläuft alle Winkel zwischen 0 und 2π: 0 ≤ t ≤ 2π.
Dann kann ein Kreis beschrieben werden durch:    z(t) = m + r⋅E(t).

Kreislinie mit Mittelpunkt m∈ \(\mathbb{C}\) und Radius r∈\(\mathbb{R}^+\) in Parameterform: {z(t)| z(t) = m + r⋅E(t) und 0≤t≤2π}.



Parameterform einer Geraden
Eine Gerade wird beschrieben durch die Zuordnung
z(t) = a + bt mit a,b∈\(\mathbb{C}\), b≠0.
Wie in der Geometrie kann b als Richtungsvektor aufgefasst werden, a wäre dann der Ortsvektor.
Die Geradengleichung ist in dieser Form nicht eindeutig. Als Ortsvektor lässt sich ein beliebiger Punkt der Geraden verwenden, der Richtungsvektor kann in der Länge (also seinem Betrag) variiert werden.



1.5.  Aufgaben


1.
a) Gib den Mittelpunkt und den Radius an: {z| |z + 1| = 3}
b) Überführe die Kreisgleichung in die jeweils andere Form.
\(~~~~~~~\)i) |z - i| = 5 \(~~~~~~~~\)ii) \(zz^{*}-z-z^{*}-24=0~~~~~~~~~~~~~~~~~~\)iii) \(zz^{*}-iz+iz^{*}=0\)

2. Kreis des
Apollonius Apollonius von Tyana (um 40 - 120 n. Chr.) war ein griechischer Philosoph.

Gesucht ist die Menge der Punkte, die von \(z_1\) = i und \(z_2\) = 1 den festen Abstand 2:1 haben. Zeichne die Punktmenge.

3.
Gib die Steigung und den imaginären Achsenabschnitt folgender Geraden an:
\(~~~~~~~\)i) {z| -iz + i\(z^{*}\) + 1 = 0} \(~~~~~~~~\)ii) {z| (1+i)z + (1-i)\(z^{*}\) + 2 = 0}

4.
Gib die Steigung und den imaginären Achsenabschnitt der Geraden an. Entscheide, ob \(z_0\) = 0,5 + 1,5i ein Element der Geraden ist.
\(~~~~~~~\) g = {z = 1 + (1+2i)t} , t∈\(\mathbb{R}\)}

zu 1.
a) Mittelpunkt m = -1 und Radius r = \(\sqrt{3}\)
b)
i) Mittelpunkt m = i und Radius r = \(\sqrt{5}~~~\rightarrow~~~\)\(zz^{*}+iz-iz^{*}-4=0\)
ii) Mittelpunkt m = 1 und Radius r = \(\sqrt{mm^{*}-\gamma}=\sqrt{1-(-24)}=5~~~\rightarrow~~~\)|z - 1| = 5
iii) Mittelpunkt m = -i und Radius r = \(\sqrt{mm^{*}-\gamma}=\sqrt{1-0}=1~~~\rightarrow~~~\)|z + i| = 1

zu 2.
Alle Punkte z, die von den Punkten \(z_1\) und \(z_2\) das feste Abstandsverhältnis a : b besitzen,
genügen der Gleichung \(\large \frac{|z-z_1|}{|z-z_2|}~=~\frac{a}{b}\).
Eingesetzt ergibt:
\(\large \frac{|z-i|}{|z-1|}\) = 2.
Quadriert und umgeformt:
\(zz^{*}+iz-iz^{*}+1~=~4\cdot (zz^{*}-z-z^{*}+1)\)\(~~~\rightarrow~~~zz^{*}-\frac{1}{3}(4+i)z-\frac{1}{3}(4-i)z^{*}+1~=~0\)
Das ist eine Kreisgleichung mit dem Mittelpunkt m = \(\frac{1}{3}\)(4 - i) und dem Radius \(r=\sqrt{mm^{*}-\gamma}=\sqrt{\frac{17}{9}-1}=\frac{2}{3}\sqrt{2}\)
Der Kreis heißt Kreis des Apollonius.

zu 3.
i) Aus b = i = α + βi und γ = 1 folgt:
\(m=-\large \frac{\alpha}{\beta}~=~-\frac{0}{1}\)\(~=~0\)
\(b=-\large \frac{\gamma}{2\beta}~=~-\frac{1}{2\cdot 1}\)\(~=~-\frac{1}{2}\)
Dies ist eine Gerade parallel zur reellen Achse im Abstand 0,5 unterhalb der reellen Achse.

ii)
Aus b = 1 - i = α + βi und γ = 2 folgt:
\(m=-\large \frac{\alpha}{\beta}~=~-\frac{1}{-1}\)\(~=~1\)
\(b=-\large \frac{\gamma}{2\beta}~=~-\frac{2}{2\cdot (-1)}\)\(~=~2\)

zu 4.
Die Gerade geht durch den Punkt a = 1 + 0i und der Richtungsvektor beträgt v = 1 + 2i.
Die Steigung erhält man aus dem Richtungsvektor m = \(\frac{2}{1}\) = 2.
Um den imaginären Achsenabschnitt zu ermitteln, muss der Realteil von f(t) = 0 gelten.
f(t)) = 1 + 0i + (1+2i)⋅t → Re(f(t)) = 1 + 1⋅t = 0 → t = -1.
Eingesetzt f(-1) = 1 + 0i + (1+2i)⋅(-1) = 0 - 2i → Achsenabschnitt b = -2.
Um zu entscheiden, ob der Punkt \(z_0\) ein Element der Geraden ist, setzt man \(z_0\) in die Geradengleichung ein. Existiert ein t, ist der Punkt ein Element der Geraden, sonst nicht.
0,5 + 1,5i = 1 + 0i + (1+2i)⋅t.
Man erhält 2 reelle Gleichungen (Real- und Imaginärteil):
0,5 = 1 + 1⋅t → t = -0,5
1,5 = 0 + 2⋅t → t = -0,75
Kein gemeinsames t → \(z_0\) ist kein Element der Geraden.
Man kann es in diesem Fall auch ohne Rechnung entscheiden. Da a = 1 + 0i ein Punkt der Geraden ist, kann nicht auch \(z_0\) = 1 + 1,5i ein Punkt der Geraden sein. Denn dann wäre es eine Gerade parallel zur imaginären Achse. Das ist für Parameterformen nicht erlaubt.






2.  Abbildungen


Abbildungen sind Zuordnungen zwischen zwei Mengen: der Definitionsmenge \(\mathbb{D}\) und dem Wertebereich \(\mathbb{W}\).

Beispielsweise seien eine Menge von Städten \(\mathbb{D}\) und eine Menge von Flüssen \(\mathbb{W}\) gegeben:
\(\mathbb{D}\) = {Hamburg, Köln, München, Dresden}
\(\mathbb{W}\) = {Elbe, Alster, Main, Rhein}}

Die Zuordnung f ordnet einer Stadt einen durch sie hindurchfließenden Fluss zu.
Man schreibt: f: \(~~\mathbb{D}~~~\rightarrow~~~\mathbb{W}\)
Die Zuordnung f besteht aus einer Menge von (geordneten) Paaren:
f = {(Hamburg,Elbe) , (Hamburg,Alster) , (Köln,Rhein) , (Dresden,Elbe)}.

Eine Abbildung ist
Injektiv: Jedes Element des Wertebereichs wird höchstens einmal getroffen.
Surjektiv: Jedes Element der Zielmenge wird mindestens einmal getroffen.
Bijektiv: Eine Abbildung ist sowohl injektiv als auch surjektiv, also eindeutig und umkehrbar.



In diesem Kapitel soll es (wie meist in der Mathematik) um spezielle Abbildungen gehen: den Funktionen.
Eine Funktion ordnet jedem Element der Definitionsmenge genau ein Element des Wertebereichs zu. In dem obigen Bild muss also von jedem Element der Definitionsmenge genau ein Pfeil zu einem Element des Wertebereichs ausgehen. Das obige Beispiel ist keine Funktion, sondern eine Relation. Von Hamburg gehen zwei Pfeile aus, von München keiner. Beides ist für eine Funktion nicht erlaubt. Es ist für eine Funktion aber erlaubt, dass ein Element des Wertebereichs mehrfach oder auch überhaupt nicht 'getroffen' wird.

Nun können Abbildungen z.B. wie im obigen Beispiel durch ein sogenanntes Venn-Diagramm visualisiert werden. Im Fall von unendlichen Mengen stößt eine solche Darstellung natürlich an Grenzen.
In der Mathematik werden für reelle Funktionen Graphen (oder Kurven) in einem Koordinatensystem gezeichnet: ein Element auf der x-Achse wird genau ein Element auf der y-Achse zugeordnet.
Für komplexe Funktionen geht es so nicht, weil sowohl die Definitionsmenge (z-Ebene) als auch der Wertebereich (w-Ebene) aus Elementen der (zweidimensionalen) Gaußschen Zahlenebene besteht. Man hilft sich mit einer Darstellung folgender Art:
Ist die Definitionsmenge ganz \(\mathbb{C}\), so ordnet f jedem Punkt der z-Ebene eindeutig einen Punkt in der w-Ebene zu. Durchläuft z eine Punktmenge K, so durchläuft w eine entsprechende Bildkurve K' in der w-Ebene (wie abgebildet).
Das Bild von z unter der Funktion f heißt dann w: \(~~~f:~~z~~\rightarrow~~w~~~\) oder f(z) = w .

Meist werden nur Teilmengen der Gaußschen Zahlenebene mit f abgebildet z.B. Geraden oder Kreise. In diesem Fall legt man die z-Ebene und die w-Ebene übereinander und zeichnet das Urbild und das Bild in dieselbe Ebene ein.

Abbildungen können auch verknüpft werden. Es seien f und g zwei Abbildungen der z-Ebene auf sich. Dann wird eine neue Abbildung \(g~\circ~f\) definiert durch folgende Vorschrift:

\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~g~\circ~f~:~~z~~~~\rightarrow~~~g(f(z))\)

Man erhält das Bild von z unter der Abbildung \(g~\circ~f\), indem man auf z zuerst die Abbildung f anwendet und auf dieses Bild dann die Abbildung g. Diese Verknüpfung heißt auch Hintereinanderausführung (HEA).
Addition und Multiplikation sind Verknüpfungen von Zahlen, die HEA ist eine Verknüpfung von Abbildungen!



2.1.  lineare Funktionen


Lineare Funktionen lassen sich wie gewohnt darstellen durch

\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~z~~\rightarrow~~w~=~a\cdot z~+~b~~mit~~a,b\in\mathbb{C}\)

Es wird \(a\neq\) 0 vorausgesetzt. Definitionsmenge und Wertebereich ist jeweils die komplexe Zahlmenge \(\mathbb{C}\).
Lineare Funktionen lassen sich als Hintereinanderausführung zweier elementarer Abbildungen darstellen: der Drehstreckung und der Translation.

Die Menge der Abbildungen der linearen Funktionen bildet mit der Hintereinanderausführung (HEA) als Verknüpfung eine Gruppe.

Nachweis in Kürze:
Seien \(f_1:~~~z~~\rightarrow~~a_1z+b_1~sowie~f_2:~~~z~~\rightarrow~~a_2z+b_2~mit~a_1,a_2,b_1,b_2\in\mathbb{C}\).
1. Abgeschlossenheit: zu zeigen: \(f_2\circ f_1\) ist lineare Funktion
\(f_2\circ f_1(z)=f_2(f_1(z))=f_2(a_1z+b_1)=a_2a_1z+a_2b_1+b_2=az+b\).
Weil die komplexen Zahlen einen Körper bilden, sind \(a=a_2a_1~sowie~b=a_2b_1+b_2\in\mathbb{C}\).

2. Assoziativgesetz:
folgt aus der Gültigkeit des Assoziativgesetzes und den Rechenregeln in \(\mathbb{C}\).

3. neutrales Element:
Das neutrale Element ist f(z)=1⋅z + 0, genannt die identische Abbildung id.

4. inverses Element:
Das inverse Element zu f(z) = a⋅z + b ist \(f^{-1}(z)=\frac{1}{a}z-\frac{b}{a}\)
a ist nach Voraussetzung ungleich Null.

5. Kommutativgesetz:
Das Kommutativgesetz gilt nicht.
Gegenbeispiel: \(f_1(z)=2z+3~sowie~f_2(z)=3z+1\).
Dann \(f_2(f_1(z))=f_2(2z+3)=3(2z+3)+1=6z+10~~sowie~~f_1(f_2(z))=f_1(3z+1))=2(3z+1)+3=6z+5\).

Eine Untergruppe bildet die Menge der reinen Drehungen: f: z → a⋅ z mit |a| = 1.



2.1.1.  Translation z → w = z + b


Fasst man die komplexen Zahlen als Vektoren in der Zahlenebene auf, erhält man den Bildvektor w durch Addition des Urbildvektors z mit einem konstanten Vektor b.
D.h., alle Punkte der Ebene werden um den Vektor b verschoben.
Im Bild werden die Punkte der Kurve K um b auf die Punkte der Bildkurve K' verschoben.

Die Abbildung z → w = z + b heißt Translation.

Es ist eine Abbildung der Zahlenebene auf sich.


2.1.2.  Drehstreckung z → w = a⋅z


Um die geometrische Bedeutung dieser Abbildung zu erfassen, werden sowohl z als auch a ≠ 0 in Polarform dargestellt:

\(~~~~~~~~\)a = |a|⋅E(α)\(~~~~~~~~\)α = arc(a)
\(~~~~~~~~\)z = |z|⋅E(φ)

Zur Erinnerung: E(φ) = cos φ + i⋅sin Φ

Dann gilt:

\(~~~~~~~~\)w = a⋅z = |a|⋅E(α)⋅|z|⋅E(φ) = |a|⋅|z|⋅E(α+φ)

Die Multiplikation mit a bewirkt, dass der Vektor z um α gedreht wird und seine Länge um das |a|-fache gestreckt wird.
Ergebnis:

Die Abbildung z → w = a⋅z ist eine Drehstreckung um den Ursprung mit dem Drehwinkel arc(a) und dem Streckfaktor |a|.

Sonderfälle:
1. |a| = 1
Es ist eine reine Drehung um arc(a). Falls arc(a) = 0, dann ist es die identische Abbildung id.

2. a ∈ \(\mathbb{R}\)
Es ist eine reine (zentrische) Streckung mit dem Streckfaktor |a|. Ist a > 0, dann ist arc(a) = 0. Ist a <0, dann ist arc(a) = π.


2.1.3.  Gleichsinnige Ähnlichkeitsabbildung z → w = a⋅z + b


Verknüpft man die Funktionen

\(~~~~~~~~~\)g: z → g(z) = z + b\(~~~~~~~~~\)und\(~~~~~~~~~\)f: z → f(z) = a⋅z ,

so erhält man

\(~~~~~~~~~g\circ f\): z → g(f(z)) = a⋅z + b .

Die Abbildung besteht demnach aus einer Drehstreckung um a mit anschließender Translation um b.

Als Beispiel diene die Abbildung z → w = 2i⋅z + (5-2i).
Im Bild wird das Dreieck ABC zuerst um a = 2i = 2⋅E(90°) drehgestreckt. Das Bild ist das Dreieck A'B'C'. Anschließend wird dieses Bild um b = 5 - 2i verschoben. Man erhält das Dreieck A''B''C''.

Das Bild A''B''C'' ist ähnlich dem Urbild ABC. Der Ähnlichkeitsmaßstab ist |a|. Der Umlaufsinn bleibt erhalten.
Dieser Sachverhalt gilt für beliebige Figuren bzgl. der Abbildung z → w = a⋅z + b .

Deshalb ist die Abbildung z → w = a⋅z + b eine gleichsinnige Ähnlichkeitsabbildung.

Sonderfall |a| = 1: Das ist eine gleichsinnige Kongruenzabbildung.



2.2.  Spiegelung z → w = \(z^{*}\)


Die Abbildung \(~~z~~~\rightarrow~~~w~=~z^{*}~~\) ist eine Spiegelung an der reellen Achse.

Die Abbildung f(z) = \(z^{*}\) ist involutorisch. Es bedeutet, dass die Verknüpfung dieser Abbildung mit sich selbst die identische Abbildung ergibt.

\(~~~~~~~~~~~f\circ f~=~id\)

Denn es ist \(f\circ f(z)=f(f(z))=f(z^{*})=(z^{*})^{*}=z\).

Involutorische Abbildungen sind zu sich selbst invers.



2.3.  nichtlineare Funktionen



Hier tut sich ein weites Feld auf!
Behandelt werden nur wenige interessante Beispiele. Gemeint sind aber nicht etwa quadratische oder kubische Funktionen, sondern die im Zusammenhang mit dem Einheitskreis stehenden nachfolgenden Abbildungen.

2.3.1.  Spiegelung am Einheitskreis w = \(\large \frac{1}{z^{*}}\)



Zuerst wird der Ursprung aus dem Definitionsbereich ausgeschlossen.
Um die Wirkungsweise dieser Abbildung kennenzulernen, empfiehlt sich eine Darstellung der Punkte in Polarform.

Aus z = r⋅E(α) folgt \(z^{*}\) = r⋅E(-α)

Mit \(\large \frac{1}{E(\alpha)}~=~\normalsize E(\alpha)\) folgt für die Abbildung:

w \(\large =~\frac{1}{z^{*}}~=~\frac{1}{r\cdot E(-\alpha)}~=~\frac{1}{r}\cdot \normalsize E(\alpha)\)

Man erkennt. Urbild- und Bildpunkt liegen auf einer gemeinsamen Geraden durch den Ursprung (gleicher Winkel α). Der Abstand des Bildes vom Ursprung ist reziprok zum Abstand des Urbildpunktes vom Ursprung.
Liegt ein Punkt außerhalb des Einheitskreises (r > 1), liegt das Bild innerhalb des Einheitskreises (r < 1) und umgekehrt. Außerdem ist die Abbildung drehsymmetrisch, denn Urbild und Bild liegen auf einer gemeinsamen Ursprungsgeraden. Man spricht deshalb von einer Spiegelung am Einheitskreis. Dies ist bzgl. der Zahlenebene nur im übertragenen Sinne zu verstehen. Im Kapitel Zahlenkugel wird der Begriff 'Spiegelung' aber vollends gerechtfertigt.
Auch diese Abbildung ist involutorisch.
Punkte auf dem Einheitskreis werden auf sich selbst abgebildet (Fixpunkte).
Beispiel (s. Graphik): z = 1 + i = \(\sqrt{2}\)⋅E(45°) → w = \(\large \frac{1}{\sqrt{2} E(45°)}~=~\frac{1}{\sqrt{2}}\normalsize E(45°)~=~\frac{1}{2}~+~\frac{1}{2}i\).

2.3.1.1.  Kreise unter w = \(\large \frac{1}{z^{*}}\)


Sei ein Kreis k durch die Gleichung \( zz^{*}-m^{*}z-mz^{*}+\gamma~=~0\) gegeben.
Weiter gilt: \(w~=~\frac{1}{z^{*}}~~~\rightarrow~~~z^{*}~=~\frac{1}{w}~~~sowie~~~z~=~\frac{1}{w^{*}}\).

Einsetzen in die Kreisgleichung: \(\large \frac{1}{w^{*}}\frac{1}{w}\)\(-m^{*}\)\(\large \frac{1}{w^{*}}\)\(-m\)\(\large \frac{1}{w}\)\(+\gamma~=~0\)

Multiplikation mit \(w~w^{*}:~~1-m^{*}w-mw^{*}+\gamma ww^{*}~=~0\)

Division durch γ≠0 : \(ww^{*}-\large \frac{m^{*}}{\gamma}w-\frac{m}{\gamma}w^{*}+\frac{1}{\gamma}~=~0\)

Das ist eine Kreisgleichung mit dem Mittelpunkt m' = \(\large \frac{m}{\gamma}\)
und dem Radius r' = \( \sqrt{m'm'^{*}-\frac{1}{\gamma}}~=~\sqrt{\large \frac{m}{\gamma}\large \frac{m^{*}}{\gamma}-\frac{1}{\gamma}}\)\(~=~\frac{1}{|\gamma|}\sqrt{mm^{*}-\gamma}~=~\frac{r}{|\gamma|}\)

Im Fall γ = 0 erhält man: \(1-m^{*}w-mw^{*}~=~1+(-m^{*})w+(-m)w^{*}~=~0\).

Das ist eine Geradengleichung.

Zum Zwecke einer einprägsamen Formulierung interpretiert man eine Gerade als Kreis mit einem unendlich großen Radius. Dann werden durch die Spiegelung am Einheitskreis Kreise auf Kreise abgebildet.

Nun wird die Gaußsche Zahlenebene um den unendlich fernen Punkt w = ∞ erweitert. Dann definiert man für die Spiegelung am Einheitskreis \(w~=~\frac{1}{z^{*}}\), dass der Punkt z = 0 (also der Ursprung) auf den unendlich fernen Punkt abgebildet wird und umgekehrt. In dieser erweiterten Gaußschen Zahlenebene schneiden sich alle Geraden in diesem unendlich fernen Punkt.

Folgende Aussagen sind dann für die Spiegelung am Einheitskreis wahr:

1. Die Abbildung ist kreistreu: Kreise werden auf Kreise abgebildet.
2. Ursprungskreise werden auf Geraden abgebildet
\(~~~~\)(wegen der Abbildung des Ursprungs auf den unendlich fernen Punkt) und umgekehrt.
\(~~~~\)Die Konstruktion der Geraden erfolgt beispielsweise durch die Schnittpunkte
\(~~~~\)des Ursprungskreises mit dem Einheitskreis (Fixpunkte).
3. Ursprungsgeraden werden auf sich selbst abgebildet.

Anmerkung:
Die Spiegelung am Einheitskreis ist eine gegensinnige Abbildung, d.h. dass der Drehsinn eines Urdreiecks und der Drehsinn des Bilddreiecks gegenläufig sind.
Bei Beschränkung auf kleine Gebiete (die den Ursprung nicht enthalten) ist es sogar eine gegensinnige Ähnlichkeitsabbildung.
Gebiete außerhalb des Einheitskreises werden verkleinert nach innen abgebildet und Gebiete innerhalb des Einheitskreises vergößert nach außen.





2.3.1.2.  Geometrische Konstruktion




1. Konstruiere den Mittelpunkt M der Strecke Oz.
2. Zeichne einen Kreis k mit dem Mittelpunkt M durch den Ursprung.
3. Zeichne eine Gerade g durch die beiden Schnittpunkte von k und dem Einheitskreis.
4. Der Schnittpunkt von g mit der Geraden durch Oz ist der gesuchte Bildpunkt.


Erklärung:
Das Urbild z liegt auf dem Kreis k. Das Bild des Kreises k unter der Spiegelung am Einheitskreis ist die Gerade g (Fixpunkte der Abbildung sind die Schnittpunkte auf dem Einheitskreis). Demnach liegt das Bild von z sowohl auf der Geraden g als auch auch auf der Geraden durch Oz.



2.3.2.  Abbildung w = \(\large \frac{1}{z}\)


Die Abbildung z → \(z^{-1}\) lässt sich als Hintereinanderausführung der Spiegelung am Einheitskreis und der Spiegelung an der reellen Achse auffassen. Die Reihenfolge ist beliebig.



2.4.  Fixpunkte


Ein Punkt \(z_0\) heißt unter einer Abbildung f ein Fixpunkt, falls \(z_0\) auf sich selbst abgebildet wird: f(\(z_0\)) = \(z_0\).


2.4.1.  Fixpunkte unter linearen Funktionen


Setzt man die Abbildungsgleichung der gleichsinnigen Ähnlichkeitsabbildung in die Fixpunktbedingung ein, folgt
\(~~~~~~\)a⋅\(z_0\) + b = \(z_0\) → \(z_0~=~\large \frac{b}{1-a}~~~\) falls a ≠ 1.

Es gibt für a ≠1 genau einen Fixpunkt der Abbildung: \(z_0~=~\large \frac{b}{1-a}\)

Sonderfall a = 1: Die Abbildung ist eine Translation z → z + b.

Die Gleichung 1⋅\(z_0\) + b = \(z_0\) ist für b ≠ 0 nicht erfüllbar! Es gibt keine Fixpunkte!

Für b = 0 erfüllt jeder Punkt z der Gaußschen Zahlenebene die Gleichung. Jeder Punkt ist fix. Es handelt sich um die identische Abbildung id.

Fixpunktdarstellung einer gleichsinnigen Ähnlichkeitsabbildung

Die Abbildung w = a⋅z + b besitze den Fixpunkt \(z_0\). Wegen b = (1 - a) ⋅ \(z_0\) gilt dann:
w = a⋅z + b = a⋅z + (1 - a) \(z_0\) = a⋅(z - \(z_0\)) + \(z_0\) → w - \(z_0\) = a⋅(z - \(z_0\)).

Man kann ein beliebiges Urbild z unter der gleichsinnigen Ähnlichkeitsabbildung w = a⋅z + b auch folgendermaßen abbilden: zuerst das Urbild z um \(z_0\) verschieben, dann eine Drehstreckung mit a ausführen und anschließend dieses Bild wiederum um \(z_0\) verschieben.

Die gleichsinnige Ähnlichkeitsabbildung w = a⋅ z + b kann somit als Drehstreckung um den Fixpunkt aufgefasst werden:

\(~~~~~~\)Fixpunktdarstellung: w - \(z_0\) = a⋅(z - \(z_0\)).


2.4.2.  Fixpunkte unter der Spiegelung am Einheitskreis


Setzt man die Abbildungsgleichung der Spiegelung am Einheitskreis in die Fixpunktbedingung ein, folgt
\(~~~~~~\large \frac{1}{{z_0}^{*}}~\)\(=~z_0\) → \(z_0\cdot {z_0}^{*}~=~1\).

Das ist die Kreisgleichung des Einheitskreises.
Alle Punkte auf dem Einheitskreis sind Fixpunkte. Der Einheitskreis selbst ist (nicht der einzige) Fixkreis, aber der einzige Fixkreis, dessen Punkte alle auf sich abgebildet werden.
Andere Fixkreise unter der Spiegelung am Einheitskreis sind die Kreise, für deren Kreisgleichung γ = 1 gilt (s. Kreise unter der Spiegelung am Einheitskreis). Diese Kreise schneiden alle den Einheitskreis. Die Punkte auf einem derartigen Kreis werden aber auf andere Punkte des Kreises abgebildet.



2.5.  Aufgaben


1.
Bestimme das Bild des Dreiecks mit den Ecken \(z_1\) = 1 + i , \(z_2\) = 3,5 + 1,5i und \(z_3\) = 1 + 3i unter der Abbildung
a) f(z) = 2iz\(~~~~~~~~~~~\)b) f(z) = iz + (-3 - 2i)
c) Ermittle jeweils den Fixpunkt der unter a) und b) gegebenen Abbildungen.

2.
Welche Abbildung f(z) = az + b führt die Punkte \(z_1\) = 4 + 2i und \(z_2\) = 2 + 2i über in die Punkte \(w_1\) = 4 + 5i und \(w_2\) = 4 + 3i ?

3.
Von einer Drehung f(z) = az + b kennt man den Fixpunkt \(z_0\) = i und den Drehwinkel α = 315°.
Bestimme a und b.

4.
Gib für die folgenden Kreise unter der Spiegelung am Einheitskreis Mittelpunkt und Radius des Bildkreises an:
a) {z| z\(z^{*}\) - 2z - 2\(z^{*}\) - 5 = 0}\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~\)b) {z| z\(z^{*}\) - (1-i)z - (1+i)\(z^{*}\) = 0}
c) {z| z\(z^{*}\) - (1-i)z - (1+i)\(z^{*}\) - 2 = 0}\(~~~~~~~~~\)d) {z| i\(z^{*}\) - iz - 2 = 0}

5.
Wohin wird unter der Spiegelung am Einheitskreis
a) das Innere des Kreises {z| z\(z^{*}\) - (1+i)z - (1-i)\(z^{*}\) = 0}
b) die Halbebene {z| Re(z) ≥ 1}
abgebildet?

zu 1.
a)
\(w_1\) = f(1+i) = 2i⋅(1+i) = -2 + 2i\(~~~~\)\(w_2\) = f(3,5+1,5i) = 2i⋅(3,5+1,5i) = -3 + 7i\(~~~~\)\(w_3\) = f(1+3i) = 2i⋅(1+3i) = -6 + 2i
Wegen 2i = 2⋅E(90°) wird das Dreieck um 90° gedreht und um den Faktor 2 gestreckt. Der Flächeninhalt vervierfacht sich damit.

b)
\(w_1\) = f(1+i) = i⋅(1+i) + (-3 - 2i) = -4 - i
\(w_2\) = f(3,5+1,5i) = i⋅(3,5+1,5i) + (-3 - 2i) = -4,5 - 1,5i
\(w_3\) = f(1+3i) = i⋅(1+3i) + (-3 - 2i) = -6 - i
Wegen i = 1⋅E(90°) wird das Dreieck um 90° gedreht und um (-3 - 2i) verschoben. Der Flächeninhalt ändert sich nicht.

c)
Der Fixpunkt der Abbildung f(z) = 2iz ist:  \(z_0=\large \frac{0}{1-2i}\)\(=0\).
Der Fixpunkt der Abbildung f(z) = iz + (-3 - 2i) ist:  \(z_0=\large \frac{-3-2i}{1-i}=\frac{-3-2i}{1-i}\frac{1+i}{1+i}=-\frac{1}{2}-\frac{5}{2}i\).


zu 2.
Einsetzen der Punktpaare in die Abbildungsgleichheit führt mithilfe eines Koeffizientenvergleichs auf 4 Gleichungen mit 4 Unbekannten.
Seien a = \(a_1+a_2i\)   und   b = \(b_1+b_2i\).

Einsetzen:
4 + 5i = (\(a_1+a_2i\))⋅(4 + 2i) + (\(b_1+b_2i\)) = (\(4a_1-2a_2+b_1\)) + (\(2a_1+4a_2+b_2\))i
4 + 3i = (\(a_1+a_2i\))⋅(2 + 2i) + (\(b_1+b_2i\)) = (\(2a_1-2a_2+b_1\)) + (\(2a_1+2a_2+b_2\))i

Durch Koeffizientenvergleich:
I. \(~~~4a_1-2a_2+b_1~~~~~~~\) = 4
II. \(~~2a_1+4a_2~~~~~~~+b_2\) = 5
III. \(2a_1-2a_2+b_1~~~~~~~\) = 4
IV. \(2a_1+2a_2~~~~~~~+b_2\) = 3

→ \(a_1\) = 0 \(~~\),\(~~\)\(a_2\) = 1 \(~~\),\(~~\)\(b_1\) = 6 \(~~\),\(~~\)\(b_2\) = 1

Die Abbildung lautet: f(z) = iz + (6+i).


zu 3.
a = \(a_1\) + \(a_2\)i = r⋅E(α) = 1⋅E(315°)\(~~~~\)(reine Drehung → r = 1)
a = 1⋅E(315°) = 1⋅(cos 315° + i⋅sin 315°) = \(\frac{1}{2}\sqrt{2}-i\cdot \frac{1}{2}\sqrt{2}\)

Einsetzen in \(z_0=\frac{b}{1-a}~~\rightarrow~~~b=z_0\cdot (1-a)=i\cdot(1-(\frac{1}{2}\sqrt{2}-i\cdot \frac{1}{2}\sqrt{2}))=-\frac{1}{2}\sqrt{2}+i\cdot (1-\frac{1}{2}\sqrt{2})\)

Die Abbildung lautet: f(z) = (\(\frac{1}{2}\sqrt{2}-i\cdot \frac{1}{2}\sqrt{2}\))⋅z + (-\(\frac{1}{2}\sqrt{2}+i\cdot (1-\frac{1}{2}\sqrt{2})\)).


zu 4.
a) Urbildkreis: m = 2 , r = \(\sqrt{mm^{*}-\gamma}=\sqrt{4-(-5)}=3\).
mit γ = -5 folgt für den Bildkreis:  m' = -\(\frac{2}{5}\)  ,   r' = \(\frac{3}{5}\)

b) Wegen γ = 0 ist das Urbild ein Ursprungskreis. Das Bild deshalb eine Gerade.
Urbildkreis: m = 1 + i , r = \(\sqrt{mm^{*}-\gamma}=\sqrt{2-0}=\sqrt{2}\).
Einsetzen in die Kreisgleichung von \(z^{*} = \frac{1}{w}\) sowie z = \(\frac{1}{w^{*}}\) und anschließender Muliplikation von \(zz^{*}\) ergibt
die Bild-Geradengleichung: 1 - (1-i)w - (1+i)\(w^{*}\) = 0.


c) Urbildkreis: m = 1 + i , r = \(\sqrt{mm^{*}-\gamma}=\sqrt{4-(-2)}=\sqrt{6}\).
mit γ = -2 folgt für den Bildkreis:  m' = -\(\frac{1}{2}-\frac{1}{2}i\)   ,   r' = \(\frac{1}{2}\sqrt{6}\)

d) Das Urbild ist eine Gerade. Deshalb ist das Bild ein Ursprungskreis.
Einsetzen von \(z^{*} = \frac{1}{w}\) sowie z = \(\frac{1}{w^{*}}\) ergibt:
i\(\frac{1}{w}\) - i\(\frac{1}{w^{*}}\) - 2 = 0 → i\(w^{*}\) - iw - 2\(ww^{*}\) = 0 → \(ww^{*}-(-\frac{1}{2}i)w-\frac{1}{2}iw^{*}=0\)
Der Mittelpunkt des Bildkreises ist m' = \(\frac{1}{2}i\) , der Bildradius ist r' = \(\sqrt{m'm'^{*}-\gamma}=\sqrt{\frac{1}{4}-0}=\frac{1}{2}\).


zu 5.
a) Zuerst wird der Bildkreis ermittelt. Anschließend bildet man einen (beliebigen) Punkt des Ur-Gebietes ab. Das Bild des Kreises bildet dann aufgrund der Gebietstreue der Abbildung die Begrenzung des Bildgebietes.

Urkreis: m = 1 - i , r = \(\sqrt{2}\)
Das Bild des Kreises ist wegen γ = 0 (Kreis durch den Ursprung) eine Gerade.
Einsetzen in die Kreisgleichung von \(z^{*} = \frac{1}{w}\) sowie z = \(\frac{1}{w^{*}}\) und anschließender Muliplikation von \(zz^{*}\) ergibt
die Bild-Geradengleichung: 1 - (1+i)w - (1-i)\(w^{*}\) = 1 + (-1-i)w + (-1+i)\(w^{*}\) = 0 → y = x + 0,5.
z = 1 liegt innerhalb des Urbildkreises. Das Bild ist f(1) = \(\frac{1}{1^{*}}=1\).

Deshalb wird das Innere des Kreises (grün) auf die rechte Halbebene der Bildgeraden ((schraffiert) abgebildet.


b) Die Urbildgerade ist eine Parallele zur imaginären Achse durch den Punkt z = 1.
Das Bild ist ein Ursprungskreis, der ebenfalls durch w = 1 geht, denn z = 1 ist ein Fixpunkt der Spiegelung am Einheitskreis.

Aus Symmetriegründen ist der Mittelpunkt des Bildkreises m' = 0,5 mit dem Radius r' = 0,5.
Der Punkt z = 2 wird auf das Bild w = 0,5 abgebildet.

Deshalb wird die rechte Halbebene der Geraden Re(z) ≥ 1 (grün) auf das Innere des Bildkreises (schraffiert) abgebildet, die Gerade auf den Bildkreis.






3.  Zahlenkugel


Im vorigen Kapitel wurden Abbildungen vorgestellt, die Kreise auf Kreise abbilden und die es erlauben, Geraden als Kreise mit unendlich großem Radius aufzufassen. Parallele Geraden schneiden sich alle in einem 'mysteriösen' unendlich fernen Punkt.
Deutlich nachvollziehbarer wird dieser Sachverhalt, wenn die Zahlenebene zu einer Kugeloberfläche gekrümmt wird. Auf diese Weise entsteht die Zahlenkugel.


3.1.  Abbildung der Kugel auf die Ebene



Gegeben sei in einem dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystem eine Kugel mit dem Mittelpunkt M(0/0/0,5) und dem Radius r = 0,5.
(0/0/1) ist der Nordpol N der Kugel, der Ursprung (0/0/0) der Südpol S.
Die x-y-Ebene denke man sich als die (erweiterte) Gaußsche Zahlenebene.
Dann lässt sich eine eineindeutige Abbildung der Punkte der Kugel auf die x-y-Ebene - also eine bijektive Abbildung - konstruieren, indem ausgehend vom Nordpol N ein Strahl durch einen beliebigen Kugelpunkt Z gezeichnet wird. Der Schnittpunkt Z' des Strahls mit der x-y-Ebene ist der gesuchte
Bildpunkt geometrisch: Spurpunkt des Strahls mit der x-y-Grundebene.
. Dieses Abbildungsprinzip funktioniert auch umgekehrt.
Der Südpol S wird auf den Ursprung der Gaußschen Zahlenebene abgebildet, der Äquator beispielsweise auf den Einheitskreis. Der Nordpol N wird auf den unendlich fernen Punkt ∞ abgebildet.

Eigenschaften der Abbildung:
- Breitenkreise werden auf konzentrische Kreise um den Ursprung abgebildet.
- Längenkreise werden auf Ursprungsgeraden abgebildet.
- allgemein: Kreise werden auf Kreise abgebildet. Kreise durch den Nordpol werden auf Geraden
   (Kreise mit unendlich großem Radius) in der Ebene abgebildet.
- Die Abbildung ist konform, d.h. jeder Winkel auf der Kugeloberfläche wird umkehrbar
   eindeutig auf einen gleich großen Winkel in der Ebene abgebildet.


Abbildung: Gaußsche Ebene → Zahlenkugel

Ist in der Gaußschen Zahlenebene ein Punkt Z'(x/y) bzw. (x/y/0) gegeben, erhält man den Bildpunkt Z als Schnittpunkt der Geraden NZ' mit der Zahlenkugel. (Der zweite Schnittpunkt ist der Nordpol (0/0/1) selbst).
Mithilfe der 2-Punkte-Form einer Geraden (s. Analytische Geometrieaufgaben) folgt:
Gerade \(g_{NZ'}:~\vec{r}~=~\begin{pmatrix} 0 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} ~+~\lambda \cdot \begin{pmatrix} x \\ y \\ -1 \end{pmatrix} \)

Zahlenkugel: \( \left(\vec{r} - \begin{pmatrix}0\\0\\0,5 \end{pmatrix} \right) ^2 = \large \frac{1}{4} \)

Einsetzen der Geradengleichung in die Kugelgleichung:

\( \left(\left[\begin{pmatrix} 0 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} ~+~\lambda \cdot \begin{pmatrix} x \\ y \\ -1 \end{pmatrix}\right] - \begin{pmatrix}0\\0\\0,5 \end{pmatrix} \right) ^2 = \large \frac{1}{4} \)

\( \left(\begin{pmatrix} 0 \\ 0 \\ 0,5 \end{pmatrix} ~+~\lambda \cdot \begin{pmatrix} x \\ y \\ -1 \end{pmatrix}\right) ^2 = \large \frac{1}{4} \)  →   \((\lambda x)^2+(\lambda y)^2+(0,5-\lambda)^2=\large \frac{1}{4}\)

→   \(\lambda^2\cdot (x^2+y^2+1)-\lambda=0~~\rightarrow~~\lambda=0~(Nordpol)~~oder~~\lambda=\large \frac{1}{x^2+y^2+1}\)

Einsetzen von λ in die Geradengleichung ergibt den Bildpunkt Z auf der Kugel:

Z (\(\large \frac{x}{x^2+y^2+1}\) / \(\large \frac{y}{x^2+y^2+1}\) / \(\large \frac{x^2+y^2}{x^2+y^2+1}\))       (mit \(1-\large \frac{1}{x^2+y^2+1}=\frac{x^2+y^2}{x^2+y^2+1}\))



Abbildung: Zahlenkugel → Gaußsche Ebene

Der Bildpunkt Z' ist der Spurpunkt in der x-y-Ebene der Geraden \(g_{NZ}\) durch den Nordpol N(0/0/1) und dem Punkt Z (x/y/z):
Gerade \(g_{NZ}:~\vec{r}~=~\begin{pmatrix} 0 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} ~+~\lambda \cdot \begin{pmatrix} x \\ y \\ z-1 \end{pmatrix} \)

Bedingung für den Spurpunkt: z' = 0 → λ = -\(\large \frac{1}{z-1}\).
Eingesetzt in die Geradengleichung: Z'(\(\large \frac{x}{1-z}\)/\(\large \frac{y}{1-z}\)/0)


Verwendung von Polar- und Kugelkoordinaten

Einen weiteren (sehr einfachen) Zugang erhält man durch die Nutzung von Kugelkoordinaten und Polarkoordinaten.

Polarkoordinaten

Kugelkoordinaten



Der Kugelpunkt P (r/φ/θ) wird auf den Bildpunkt P' (r'/φ') in der Ebene abgebildet.

Für φ und φ' wird die gleiche Richtung vorausgesetzt: φ = φ'.
Es gilt: r = 0,5.
θ ist im Bild rechts im Gegensatz zur üblichen Bezeichnung als Winkel zwischen dem Ortsvektor zu P und der negativen z-Achse dargestellt.

Der Abstand r' folgt aus Dreiecksbetrachtungen (s. Bild rechts). Bei gegebenem Winkel θ folgt der Winkel \(\frac{\theta}{2}\) aus dem Mittelpunktswinkelsatz.

Anmerkung:
Bei Kartennetzentwürfen (Abbildung der Erdoberfläche auf eine Karte) heißt diese Abbildung stereographische Projektion oder konforme (also winkeltreue) azimutale Projektion.
Der Vorteil dieser Abbildung liegt in ihrer Winkeltreue. Das ist wichtig für die Navigation. Wird der Berührpunkt der Abbildungsebene (Südpol S) zum Beispiel in eine Hafenstadt gelegt, sind die kürzesten Wege zu Zielen in alle Richtungen als Geraden abgebildet.

Der Nachteil dieser Abbildung ist ihre nicht vorhandene Flächentreue.
Generell gilt: sowohl flächen- als auch winkeltreue Abbildungen der Kugeloberfläche (Erde) auf eine Karte gibt es aber nicht.








3.2.  Die Spiegelung am Einheitskreis auf der Kugel



Der Ausdruck 'Spiegelung am Einheitskreis' für die Abbildung f(z) = \(\frac{1}{z^{*}}\) soll im folgenden erläutert werden. Dazu wird untersucht, wie sich die Spiegelung am Einheitskreis auf die Bildpunkte auf der Zahlenkugel auswirken.

Der Punkt Z wird durch Spiegelung am Einheitskreis auf den Bildpunkt Z' abgebildet. Die entsprechenden Punkte auf der Zahlenkugel sind P und P' (das Bild zeigt einen Schnitt orthogonal zur Zahlenebene durch die Kugel).

Da Z und Z' auf einer gemeinsamen Ursprungsgeraden in der Gaußschen Zahlenebene liegen, liegen P und P' auf einem gemeinsamen Längenkreis der Kugel.

Die Punkte P und P' liegen anscheinend symmetrisch zur Äquatorfläche - P' geht dann durch Spiegelung an der Äquatorfläche aus P hervor. Für einen Beweis genügt es zu zeigen, dass die Winkel α und β gleich weit sind.
Die Dreiecke NOZ und NOZ' sind ähnlich, denn das Verhältnis der Katheten ist gleich: |Z| : 1 = 1 : |Z'| .
Der Winkel NZ'O ist deshalb ebenfalls α.
Das Dreieck NOP' ist rechtwinklig (Satz des Thales), deshalb auch das Dreieck OZ'P'.
Der Winkel NZ'O ergänzt sich also mit dem gleichen Winkel γ zu 90° wie der Winkel β.
Folgerung: α = β.

Der Spiegelung am Einheitskreis entspricht auf der Zahlenkugel der Spiegelung an der Äquatorfläche.

Anmerkung:
Ein algebraischer Beweis für die Symmetrie der Punkte P und P' bzgl. der Äquatorfläche findet sich in der Lösung zu Aufgabe 3 (s. unten).



3.3.  Aufgaben


1.
Welche Eigenschaft haben die Kreise auf der Zahlenkugel, die in der Ebene parallelen Geraden entsprechen?

2.
Wie sehen die Fixkreise der Spiegelung am Einheitskreis auf der Zahlenkugel aus?

3.
Welchen Radius hat der Kreis mit dem Ursprung als Mittelpunkt und dem Radius r = 1,2 auf der Zahlenkugel?

4.

Beweise, dass das Lot vom Nordpol N auf den Durchmesser \(\overline{PQ}\) der Zahlenkugel in seiner Verlängerung durch den Mittelpunkt T der Strecke \(\overline{P^{'}Q^{'}}\) geht.


zu 1.
Die Kreise gehen durch den Nordpol. Die Mittelpunkte liegen auf einem Längenkreis.

zu 2.
Die Kreise liegen symmetrisch zum Äquator der Kugel. Die Mittelpunkte dieser Kreise liegen in der Äquatorebene.

zu 3.

Im Bild ist ein Schnitt der Zahlenkugel zu erkennen. M' ist der Mittelpunkt des gesuchten Schnittkreises, r' der gesuchte Radius.

Es gilt: tan α = \(\frac{r'}{y}\) → y = \(\frac{r'}{tan~ \alpha}~=~\frac{r'}{r}\),

da tan α = \(\frac{r}{1}\)   (s. Dreieck OZN).

Aufgrund des Satzes von Thales ist das Dreieck OPN rechtwinklig.
Aus dem Höhensatz des Euklid folgt:

\({r'}^2~=~\overline{NM'}\cdot \overline{M'O}~=~y\cdot (1-y)\)\(~=~\large \frac{r'}{r}\cdot (1-\frac{r'}{r})\)

→ \({r'}^2(1+\frac{1}{r^2})-r'\cdot\frac{1}{r}~=~0\)

r' = 0  oder  r' = \(\large \frac{1}{r\cdot(1+\frac{1}{r^2})}~=~\frac{r}{1+r^2}\).

Die erste Lösung wird verworfen, da r' > 0 gelten soll.

Aus r = 1,2 folgt r' = \(\frac{1,2}{1+1,2^2}~\approx~0,49\)

Anmerkung:
Ersetzt man in dem Ausdruck \(\large \frac{r}{1+r^2}\) den Parameter r durch \(\large \frac{1}{r}\), erhält man denselben Ausdruck wie zuvor.
Das zeigt: Die Radien der Bildkreise zweier konzentrischer Urbildkreise, die aus einer Spiegelung am Einheitskreis auseinander hervorgehen, besitzen auf der Zahlenkugel denselben Bildradius. Die Bildkreise liegen parallel zum Äquator und gehen durch Spiegelung an der Äquatorebene auseinander hervor.


zu 4.
Der Punkt P sei P(x/y/z). Dann ist Q(-x/-y/1-z).
Aufgrund der Drehsymmetrie kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit y = 0 zugrundegelegt werden (also im Prinzip eine 2-dimensionale Darstellung in der x-z-Ebene).
Außerdem (Kugel- bzw. Kreispunkt): 0 < x ≤ 0,5 und 0 < z < 1 sowie
\(x^2+(z-\frac{1}{2})^2~=~r^2~=~\frac{1}{4}\) → \(x^2~=~-z^2+z\).

Beweis:
- Gerade g durch die Punkte P und Q bestimmen: \(g_{PQ}:~\vec{r}~=~\begin{pmatrix} x \\ 0 \\ z \end{pmatrix} ~+~\lambda \cdot \begin{pmatrix} -2x \\ 0 \\ 1-2z \end{pmatrix} \)

- Lotgerade h zu g durch N ermitteln: \(h:~\vec{r}~=~\begin{pmatrix} 0 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix} ~+~\lambda \cdot \begin{pmatrix} 1-2z \\ 0 \\ 2x \end{pmatrix} \)

- Schnittpunkt T von h mit der x-Achse (bzw. Spurpunkt von h bzgl. der x-Achse) berechnen:
\(~~~\)Bedingung: z = 0 → 1 + λ⋅2x = 0 → λ = -\(\large \frac{1}{2x}\) → T(\(\large \frac{2z-1}{2x}\)/0/0)

Folgerung: Der Abstand zwischen Ursprung 0 und Punkt T beträgt somit |\(\overline{0T}\)| = |\(\large \frac{2z-1}{2x}\)|.

Im Folgenden sei S der Mittelpunkt der Strecke \(\overline{P^{'}Q^{'}}\).

- Unter 3.1. ausführlich wird \(\overline{0P^{'}}\) berechnet: |\(\overline{0P^{'}}\)| = |\(\large \frac{x}{1-z}\)|.
\(~~~\)Denn P'(\(\large \frac{x}{1-z}\)/0/0).

- Dann gilt wegen 3.2.: |\(\overline{0Q^{'}}\)| = |\(\large \frac{1-z}{x}\)| (Kehrwert zu \(\overline{0P^{'}}\)).

- Weiter: |\(\overline{0S}\)| = |\(\overline{0P^{'}}\) - \(\large \frac{1}{2}\) \(\overline{P^{'}Q^{'}}\)| = |\(\large \frac{x}{1-z}\)- \(\large \frac{1}{2} ( \frac{x}{1-z}+\frac{1-z}{x})\)| = \(\large \frac{1}{2} ( \frac{x}{1-z}-\frac{1-z}{x})\)|
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~\) = |\(\large \frac{1}{2} (\frac{x^2-(1-z)(1-z)}{x(1-z)}\)| = |\(\large \frac{1}{2} \frac{x^2-(1-2z+z^2)}{x(1-z)}\)|
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~\) = |\(\large \frac{1}{2} \frac{(-z^2+z)-(1-2z+z^2)}{x(1-z)}\)| = |\(\large \frac{1}{2} (\frac{-2z^2+3z-1}{x(1-z)}\)| \(~~~\)(wegen \(x^2~=~-z^2+z\))
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~\) = |\(\large \frac{1}{2} \frac{-2z^2+3z-1}{x(1-z)}\)| = |\(\large \frac{1}{2} \frac{(1-z)(2z-1)}{x(1-z)}\)| =
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~\) = |\(\large \frac{2z-1}{2x}\)| = |\(\overline{0T}\)|

S und T liegen bzgl. des Ursprungs in der gleichen Halbebene.
Folgerung: Der Schnittpunkt T der Lotgeraden zu dem Durchmesser \(\overline{PQ}\) durch N ist gleich dem Mittelpunkt der Strecke \(\overline{P^{'}Q^{'}}\).